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Zwischen zwei Welten
ER war bereits in Pension und hatte wohl in der Vergangenheit keinen
unbeachtlich dotierten Job. Er baute damals gerade sein Haus um
und campierte daher im Souterain. Jede Woche fuhr ich zu ihm, um
zu plaudern, ihn zu massieren oder mich anfassen zu lassen. Sex
gab es nur ab und zu; er war ja nicht mehr jüngste und hatte
dementsprechende Potenzprobleme.
Oft machte er mir über das angebrachte Maß hinaus Geschenke
um sich immer mehr noch in mein Leben zu drängen. Er malte
sogar ein Bild von mir und hängte es auf; manchmal sangen wir
die Songs meiner Lieblingsgruppe. Er kaufte mir Dessous und manchmal
mußte ich einfach so vor dem Spiegel stehen bleiben und sollte
mich anschauen. Jedes Mal gab es für mich ein halbes Pfund
Trüffel aus der Konditorei; er meinte, ich würde zu wenig
essen und wolle mich aufpäppeln. Vielleicht liebte er mich
sogar.
Jedes Mal, wenn ich zu ihm kam, hatte er ein Gedicht für mich
geschrieben. Es handelte stets von Liebe, Schmerz, Tod, Verzweiflung
und von mir. Ich versicherte immer, daß ich mir diese Gedichte
gut aufbewahre und sie bewundere. Zu Hause legte ich die Seiten
sofort in die „Ablage“... wir hatten ein Agreement...
Manchmal gingen wir schick essen oder sogar ins Theater. Er fühlte
sich immer besonders gut, wenn er mit mir unter Menschen ging. Nun,
es war mir klar, das es ihm gefiel, so ein junges Mädchen im
Arm zu halten. Mit der Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich
mich eingeengt fühlte von ihm. Konnte ich einmal nicht zu ihm
fahren, rief er an und telefonierte stundenlang mit mir. Er fragte
mich oft über mein Privatleben aus, meine Familie und meinen
Job. Es nervte mich und ich hatte die Befürchtung, daß
es nicht gut ist, ihm viel von mir zu erzählen. Ich vermied
auch, andere Termine zu erwähnen, denn ich machte ihm vor,
er sei der einzige, mit dem ich mich treffe. Genauso machte ich
es mit den anderen allen auch. Das war irgendwie besser, so zumindest
hatte ich den Eindruck.
Eines Tages gab er mir seinen Bademantelgürtel und bat mich,
ihm die Hände zu fesseln. Natürlich machte ich es und
band ihn auch noch an sein Bett fest. Ich saß nackt auf ihm
und war dabei am Bettpfosten den Gürtel zu befestigen. Er bekam
eine Erektion, wie ich sie noch nie zuvor an ihm gesehen hatte.
Es war das erste Mal seit über einem ½ Jahr, daß
wir miteinander schliefen. Immer wieder beteuerte er seine Liebe
zu mir.
Es war Zeit für mich umzuziehen. Er wollte unbedingt meine
Adresse. Ich gab sie ihm nicht. Wenn du dem die Adresse gibst, hast
du den nur noch am Bein, dachte ich mir. Er war mir zu sehr in die
Privatsphäre gedrungen und ich wollte auch nicht mehr abends
so weit fahren.
Er bombardierte mich mit Telefonanrufen und Bittgesuchen. Schließlich
trafen wir uns auf halbem Wege in einem Hotel. „Ich kann ohne
dich nicht mehr leben„, sagte er und hatte einen Ausdruck
in den Augen, der mir nicht gefiel. „Mensch, das ist doch
Unsinn, du hast doch deine Frau in X-Stadt und bei dem großen
Altersunterschied...„
Er kniete vor mir und umklammerte meine Waden. „Ich tu alles
für dich, alles, beteuerte er. Ich nehme dich mit nach Italien,
in mein Haus und wir werden glücklich ... du brauchst nie mehr
arbeiten gehen, Du kannst den ganzen Tag schwimmen, Musik hören
und brauchst nicht mehr ein so anstrengendes Leben zu führen.
Er lächelte mich an und Tränen standen in seinen Augen.
Ich erklärte ihm sanft, daß das nicht geht und er soll
auch an seine Frau denken. „Schau, ich habe völlig andere
Interessen als Du und außerdem wünsch ich mir eine Familie,
meinte ich. Ich war in dem Glauben mit Kinderwunsch den Irrsinn
in ihm auszutreiben. Er ließ mich los und holte eine Landkarte
hervor. Er zeigte mit dem Finger auf den Ort, in dem meine Eltern
lebten. „Siehst du, hier wohnt Du, sagte er lächelnd
und ein schaute etwas irre drein. Niemand wußte, wo ich wohne.
Was wußte er noch alles? Ich nahm an, wohl doch erheblich
mehr, als ich mir in dem Moment zurechtlegte.
„Schwein“, sagte ich und stand auf. Ich will dich nie
mehr wieder sehen. Warum spionierst du hinter mir her. Wir hatten
Diskretion ausgemacht! Hatten wir das ausgemacht?, fragte er leise
und verstört. Ich packte meine Sachen und wollte gehen. Er
lief hinter mir her und warf sich vor mich. Wieder hielt er meine
Waden fest. „Ich wollte Dir nicht hinterherspionieren, ehrlich.
Ich liebe dich doch, bleib bei mir, bitte!
Ich zog mein Bein aus seiner Umklammerung und rannte aus dem Hotel.
Kaum war ich zu Hause, klingelte das Telefon. Er war dran und ließ
wieder Beteuerungen und Gnadengesuche vom Stapel. Ich legte auf.
Es ging einige Male so, bis ich das Telefon stumm stellte.
Am nächsten Tag beantragte ich eine neue Telefonnummer. Eine
Woche später, im Büro, kommt ein Anruf. Mein Chef hebt
ab und meint, es sei für mich, eine Gärtnerei in X-Stadt.
Was für eine Gärtnerei?, dachte ich mir. Ich ging ran
und hörte ihn am Ende der Leitung. „Guten Morgen, mein
Schatz, was macht die Arbeit? flüsterte er hinein. "Oh,
prima, dann kann ich ja heute Abend die Blumen abholen“, sage
ich laut. Mein Chef steht ja immer noch daneben und will mit mir
die Liste durchgehen. „Ich muß dich sehen; ich komme
dich besuchen, gib mir deine Telefonnummer! keucht er wieder ins
Telefon.
Die Nummer lautet ....567 sage ich und lege auf. Die letzten zwei
Ziffern waren falsch! Mir ist heiß geworden. Wo steckt der
Kerl? Vielleicht steht er schon zu Hause vor meiner Tür! Oder
er sitzt draußen im Wagen vor dem Büro! Ich vermag mir
gar nicht auszumalen, zu was der Mann fähig sein könnte!
Mir wird schwindelig. Du Schwein!, fluche ich vor mir her. Was
willst du mir demonstrieren? Ein wenig ausgeliefert fühle ich
mich und auch etwas ängstlich. Was hat der Mann vor?
Daß am nächsten Morgen ein Zettel an meiner Windschutzscheibe
hing, war schon nicht mehr überraschend für mich. Von
ihm! Herzliche liebe Grüsse und das nächste Mal würde
er auch anklingeln. Jetzt wurde mir erst richtig schlecht. Die Tage
wollen nicht vergehen und ständig schaue ich mich um, ob beim
Einkaufen oder an der Ampel, ob nicht ER aus einer Ecke herausgesprungen
kommt und sich an meine Waden klammert. Ich glaube, ich war dem
Verfolgungswahn recht nahe.
Das Wochenende war fast vorüber. Ich musste endlich mal aus
der Wohnung raus. Kaum die Tür geöffnet, falle ich fast
über eine Kiste italienischen Wein. Er war hier! Und wieder
denke ich, daß er sich in der Nähe aufhält. Ich
schließe sämtliche Türen und lasse alle Rollos runter.
Zwei Tage später erhalte ich ein Päckchen. Noch während
ich es bei der Post abhole und zum Auto gehe, öffne ich es.
„Trüffel!!„ Verdammt, verdammt, was macht der denn
noch alles?
Ich fahre nach Hause, noch mit dem Päckchen unter dem Arm,
als meine Nachbarin mir entgegenkommt. „Du, hier war ein Mann
von einer Gärtnerei, der wollte deine neue Telefonnummer –
du warst ja nicht da und da gab ich ihm ...„, fängt meine
Nachbarin an. Weiter kommt sie nicht im Text. Ich drücke ihr
die Trüffel in die Hand und stürme in meine Wohnung. Ich
setze mich vors Telefon und warte. Es vergehen ein, zwei Stunden.
Die Zeit überbrückte ich mit dem Auf- und Abgehen in meiner
Wohnung. Ich trinke einen Kaffee nach dem anderen. Es klingelt.
ER!
„Hallo, mein geliebter Schatz, jetzt kann ich dich wieder
anrufen, flüstert er. „Hör gefälligst auf,
wie ein Verrückter zu flüstern! Was soll der Anruf im
Büro? Was versprichst du dir denn eigentlich davon? Du bist
doch völlig durchgedreht, schreie ich ihn an. „Ich vermisse
dich, ich kann ohne dich nicht leben... , sagte er.
„Hör zu Freundchen, drohe ich, du nimmst nie wieder
mit mir, meinem Büro oder meinen Nachbarn schriftlich, telefonisch
oder persönlich irgendwie Kontakt auf. Wenn doch, erlebst du
mich mal! Ich rate dir das im Guten! Er wollte noch was sagen, doch
ich legte auf.
An diesem Abend meldete er sich nicht mehr und auch die folgenden
Tage waren ruhig. Langsam fühlte ich mich sicherer.
Es ist wieder Wochenende – nach dem Einkaufen gehe ich an
den Postkasten. Ein großes Kuvert springt mir entgegen. Ich
schaue ihn mir an, kein Absender, Poststempel X-Stadt. Ich ahne
schlimmes. Im öffne das Kuvert. Ca 20 Seiten Gedichte fallen
mir entgegen, alle von ihm. Alle handeln von Liebe und Schmerz und
einer unerfüllten Liebe. Ich kriege Panik . Es reicht! Ich
schlage jetzt zurück! Ich wußte, inzwischen war seine
Frau aus XY-Stadt in das fertig renovierte Haus eingezogen. Ich
hatte auch eine Telefonnummer von ihm, aber anrufen wollte ich ihn
nicht.
Auf einem weißen Bogen Papier druckte ich folgenden Spruch:
Was du nicht willst, was ich dir tu, das füge auch keinem andern
zu!. Dieses Blatt steckte ich zu den anderen 20 Seiten und schickte
es an seine Adresse.
Einige Tage später rief er an. „Das war nicht schön
mein Schatz, fing er an. „Es wird noch weniger schön,
wenn du dich nicht an das hälst, was ich dir gesagt habe, antwortete
ich. Und wieder begann er zu betteln um ein Treffen, zur Aussprache
und Klärung der Dinge. Nun gut, dann kriegt er was zu hören,
dachte ich und willigte ein.
Wir trafen uns in einem Hotel und gingen essen. Er bereute seine
Taten und versuchte sich zumindest wieder als Kunde anzubieten.
Von mir hörte er nur Beschimpfungen und Drohungen, aber anscheinend
machte es ihm nichts aus. „ Ich treffe mich nicht mit einem
Mann, der mich belügt. Du bist für mich nicht mehr tragbar!
ER machte einen verstörten Eindruck und rückte näher
an mich heran. Aus seiner Hosentasche holte er einen großen
Schein heraus und wollte ihn mir in die Hand drücken. „Bitte,
bitte.. keuchte er in mein Ohr. Der ist doch völlig übergeschnappt,
denke ich mir. Ich muß hier weg. „Ich überlege
es mir, sage ich und gehe zur Toilette. Doch kaum bin ich um die
Ecke, schnappte ich mir meinen Mantel und verschwand nach draußen.
Ich war noch nicht ganz an meinem Wagen, als ich ihn hinter mir
schreien höre. „Mein Schatz, verlaß mich nicht,
ich tu alles für dich!, ruft er. Ich drehe mich um und gehe
zu ihm. Es muß jetzt geklärt werden, sonst findet es
kein Ende.
Ich packe ihn an seinen Kragen und schaue ihm tief in die Augen.
„Hör zu, es ist Schluß, Ende, vorbei. Ich habe
was anders vor mit meinem Leben. Es gibt keinen Deal mehr ... Finish!
Wenn du mich soo liebst, dann läßt du mich in Ruhe oder
ich stehe bei Deiner Frau auf der Matte! Er sagt nichts und ich
lasse ihn los. „Mach´s gut, sage ich noch und fahre
dann endlich nach Hause.
Ich hatte tatsächlich eine Zeitlang Ruhe. An Weihnachten kam
ein Gedichtband für mich per Post ohne Absender, Stempel X-Stadt.
Zu meinem Geburtstag eine CD von meiner Lieblingsgruppe . Dann rief
er auch in meinem Büro an wünschte mir alles Gute und
legte auf. So ging noch einige Jahre so. Ab und an denke ich an
ihn und ich könnte ihn jederzeit anrufen, denn er schickte
jedes Mal zu Weihnachten seine Visitenkarte mit Telefonnummer mit.
Story
von Callgirl Mareike
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