Der „falsche“ Mann
Es sollte ein schöner Abend mit Candlelightdinner und mehr
werden. Mein Kunde, ein Franzose, war zu Besuch in der Stadt und
erwartete mich in der Lobby eines Hotels.
Er hatte sich in einem Email beschrieben und auch ein kleines Mini-Pixel-Foto
beigefügt, wobei letzteres schon ziemlich unbrauchbar war.
Das Foto war einfach zu klein und die Qualität des Bildes glich
den Verbrecherfotos, die mit einer Videokamera festgehalten wurden.
Noch bevor ich losfuhr telefonierte ich mit ihm – er war
noch im Meeting und er erwähnte auch, dass es vielleicht einige
Minuten später wird. Angepasst an sein mögliches Outfit,
wählte ich ein dunkelrotes Kostüm mit sehr kurzem Rock,
High Heels und das „darunter“ wurde auf ein Minimum
reduziert.
Gegen 19:50 Uhr traf ich ein. Wir hatten uns für 20 Uhr verabredet
und ich überlegte bereits, was ich alles über Frankreich
weiß, wo ich schon war und wo ich noch gerne mal hin möchte
etc. Ruhig, aber auch etwas aufgeregt schlenderte ich durch die
große Lobby des Hotels und schaute mir die Auslagen der Mini-Shops
an.
Um 20:10 Uhr spürte ich eine kleine Unruhe und das Nervensystem
schlug Alarm, welches mir sagte, dass ich ihn nun anrufen sollte.
Unnötig wollte ich ja auch niemanden im Meeting stören
oder wo immer er sich derzeit aufhielt...
So drehte ich eine weitere Kulanzrunde in der Lobby, blieb am fixierten
Treffpunkt stehen und ließ meinen Blick schweifen.
In diesem Moment sah ich zwischen Säulen, den Fahrstuhl –
die Tür ging auf und mit großen, schnellen zielstrebigen
Schritten kam ein stattlicher Mann auf mich zu. Mit langem Van-Helsing-Mantel,
Aktenköfferchen und Business Anzug wirkte er sehr locker und
dynamisch. Sogar die Krawatte fehlte ... die hat er wohl schon im
Aufzug ausgezogen, dachte ich mir. Er lächelte schon von weiten
über beide Backen ... er gefiel mir sofort und meine Stimmung
nahm schlagartig Gestalt an; der Blutdruck stieg an. Das Handy steckte
ich sofort weg und auf den Weg in die Handtasche wurde es auch gleich
noch ausgeschaltet. Sein Weg war lang, da die Lobby recht groß
war... so winkte er schon mal fröhlich mir zu und ich winkte
zurück.
Komisch, dachte ich mir, er ist ja viel größer als dass
was er von sich beschrieben hatte und auch erheblich schlanker als
auf dem Phantomfoto... Bislang ist mir noch kein Fall untergekommen,
wo die Selbstbeschreibung des Herrn das Erwartete in der Realität
positiv übertraf.
Prompt stand er auch schon vor mir, hechelte noch ein wenig vom
schnellen Laufen und streckte mir fröhlich die Hand entgegen.
„Hallo, ... wir sind verabredet?“ fragte er, wobei die
Frage für ihn ja schon beantwortet war.
Ich begrüßte ihn ebenfalls. „Ja, ich bin die Verabredung
und dachte schon, es wäre Dir was dazwischengekommen“.
Er schaute verduzt und meinte, dass er ja doch noch zeitlich sehr
früh hier wäre. Es wäre genau 20:15 Uhr – unsere
vereinbarte Zeit, meinte er. Ich wollte entgegnen, dass wir 20 Uhr
vereinbart hatten, aber dies war nun egal. Ich fange jetzt keine
Uhrzeitdiskussion an. Der Mann war da, er war nett und das ist Hauptsache.
„Ja, was machen wir nun - wollen wir uns ein wenig die Stadt
ansehen?“, fragte er mich. Ich meinte, das sei eigentlich
klar. Er hätte schließlich doch das Candlelightdinner
gebucht und hier sind viele nette Restaurants. Er blieb stehen und
schaute mich genau an. „Du sag mal, wie heißt Du eigentlich?“
fragte er. „Ich bin Mareike, wieso fragst Du?“ kam von
mir zurück. Mit einem tiefen Atmenzug und zwei bis drei Querfalten
auf der Stirn fasste er mir an die Oberarme. „Ich bin mit
einer Birgit verabredet... er nahm einen tiefen Atmenzug ... wir
beide sind wahrscheinlich aus dem selben Grund hier und haben auch
dasselbe vor. Aber Du bist nicht die Frau mit der ich mich verabredet
habe!“, meinte er etwas hilflos.
Es fiel mir nun auch wie Schuppen von den Augen oder ich wollte
vorher keine bewusste Skepsis aufbauen, denn er gefiel mir ausnehmend
gut. Es wäre es sehr schönes Date geworden, das wusste
ich. „Tja, dann – muß ich wohl verabschieden.
Birgit wird sicherlich gleich noch kommen ...“, murmelte er
und schaute ebenso sehr enttäuscht aus wie ich. Irgendwie auch
verzweifelt, weil er auch nicht recht wusste mit der Situation umzugehen.
„Ja, tue das – ich werde nun wohl mal meinen Kunden
anrufen und fragen wo er bleibt“, entgegnete ich. So trennten
wir uns auf halben Wege wieder.
Ich saß wieder in der Lobby und sah ihn die Bar hineingehen.
Als ich mein Handy anschaltete war bereits eine Nachricht vom Franzosen
eingegangen. Er konnte nicht weg und musste mit der Meute aus dem
Meeting essen gehen, es tut ihm furchtbar leid – es würde
sehr spät ... er könnte erst gegen 23:30 Uhr da sein ...
ob es da noch ginge? Ja, klar ginge das, schrieb ich ihm via SMS
zurück. Nun war ich schon in der City und habe mich auf den
Weg gemacht – nun ziehe ich das auch durch.
Jetzt hatte ich einige Stunden Zeit und so frech wie ich war, dachte
ich mir, gehe doch mal in die Bar. Dort würde ja der Doppelgänger
sitzen und ich war sehr neugierig, ob seine Birgit eingetroffen
war.
Tatsächlich saß er da auf einer samtbezogenen Couch
und neben ihm ein leicht pummeliger Anna-Nicole-Smith-Verschnitt
– alles sehr drall, sehr farbenfroh und auch mit Schminke
wurde nicht gespart. Letzteres wohl um vielleicht einige Altersfalten
zu verdecken. Ich schätze sie auf ca. Anfang 40. Der Blusenausschnitt
war derart großzügig, dass man fast meinte, die dicken
Brüste würden ihm gleich ins Gesicht springen. Er sah
leicht überfordert aus. Ich musste innerlich grinsen und setzte
mich an den Tresen. Einige frauenlose Geschäftsmänner
auf Durchreise rückten näher. Mr. X sah mich nun auch
und nickte mir zu. „Anna“ sprach ihn an und sah zu mir
rüber. Anscheinend erzählte er ihr irgendetwas von mir.
Ich trank einen Cocktail und beobachtete weiter das Szenario. Das
Gespräch der beiden verlief relativ einseitig. Er erzählte
und sie machte hin und wieder „hi,hi,hi“ und grinste
über beide Backen. Dabei war sie stets bedacht, dass ihr Rock
richtig sitzt und die Brüste in voller Gewalt ihm ins Gesicht
ragten. Sie wechselte nur 2 Mal ihre Sitzpostiton – man meinte,
sie hat so ein Treffen glasklar durchgestrickt. Nichts von Lockerheit,
nichts von Esprit. Ein knallhartes Geschäft. Ohne mich selbst
bei einem Date aus der Vogelperspektive zu sehen, wusste ich, dass
meinen Szenenbild nicht so aussah. Wäre ich ein Mann, würde
mir diese Frau auf dem Samtsofa nicht gefallen. Aber alles ist Geschmackssache...
Mr. X verschwand zur Toilette und anschließend musste auch
„Anna“ mal für kleine Mädchen. Als sie dann
schließlich hinter der Türe verschwand, warf er mir einen
tiefen Blick entgegen und zuckte mit den Schultern. Er schien hilflos
und ich lachte ihn an. Als Anna zurückkam, stand er auf und
sprach mit ihr. Sie hatten eine kleine Diskussion, aber nachdem
er ihr einen Umschlag in die Hand drückte, glättete sich
ihr Gesicht wieder. Kurz darauf verschwand „Anna“ aus
der Bar. Der Barkeeper kam zu mir mit einem neuen Cocktail, der
mit vielen kleinen Herzblüten dekoriert war. „Von dem
Herrn da drüben“, sagte der Barkeeper.
Ich lachte Mr. X zu und er winkte mich zu ihm. „Wo ist Dein
Date?“ fragte er.
„Er ist verhindert, hat abgesagt“, log ich. „Wo
ist denn Deine Dame hin verschwunden?“, kam meine Rückfrage.
„Ich habe sie nach Hause geschickt. Sie war nicht das was
ich mir vorgestellt habe. Von einer Agentur. Die Beschreibung war
besser, sollte vielmehr so ausschauen wie Du. Etwas Zierliches wollte
ich“, entgegnete er. „Das kannst Du doch haben...“,
lächelte ich ihm frech entgegen.
Er akzeptierte sofort meinen Honorarvorschlag und schon wenig später
saß ich endlich in einem Restaurant: mit IHM! Es war ein schönes
Dinner – wir haben viel gelacht und hatten eine Menge Spaß.
Mit Champagner gingen wir auf´s Zimmer... und fielen übereinander
her wie wilde Tiere - als ob wir den ganzen Abend nur darauf gewartet
hätten... Es war ein Date mit unwahrscheinlich viel Knistern,
Abenteuer und Emotion – vielleicht durch die Vorgeschichte
bedingt – ich weiß es nicht. Es lag auf jeden Fall eine
außergewöhnlich starke Anziehungskraft beidseitig in
der Luft. Er trank Champagner aus meinem Bauchnabel und versank
in mir auf einer Welle von Lust Pur.
Später saßen wir noch in der Whirlpoolwanne ... selbst
dort konnten wir nicht aufhören. Es war fast, als wären
wir ein frisch verliebtes Paar. Doch auch der schönste Abend
hatte mal ein Ende. Ich schloß gerade meinen Rock, als er
meinte: „Das war die beste Entscheidung meines Lebens!“.
„Ja, manchmal läuft es anderes wie man denkt und doch
hat man alles selbst in der Hand. Du bist Deines Glückes Schmied“.
Mit einem langem Zungenkuss verabschiedeten wir uns ... Noch etwas
taumelig mit weichen Knien stieg ich in den Aufzug und richtete
noch die Frisur.
Gerade aus dem Aufzug gestiegen springt mir ein Mann entgegen und
begrüßt mich. Es war mein Franzose, den ich völlig
vergessen hatte. Jetzt hieß es Haltung und Ruhe bewahren!
Ich tat so, als sei ich im Restaurant oben etwas essen gewesen.
Was ich an diesem Abend erlebt hatte, erzählte ich dem Franzosen
nicht. Aber eines war klar: die Nacht wurde lang, denn das Date
habe ich natürlich auch noch wahrgenommen....
Story
von Callgirl
Mareike
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